"Eigentlich bleibt der Organist im Gottesdienst ja weitgehend anonym. Meist spielt er allein auf der Empore, während die Gemeinde unten sitzt", sagt Timo Corleis, Kirchenkreiskantor im Kirchenkreis Wesermünde. Der "Tag der offenen Orgelbank", der in der Landeskirche Hannovers am Sonntag in 15 Kirchen angeboten wurde, sollte die "Königin der Instrumente" aus dieser Anonymität herausholen. Jugendliche und Erwachsene mit Vorkenntnissen auf einem Tasteninstrument durften die Orgel ausprobieren, auch in Bederkesa.
In der St. Jakobi-Kirche rückte Corleis auf der Bank ein wenig zur Seite und ließ Fanny Schröder vor der Gebrüder Hillebrand-Orgel Platz nehmen. Die 14-Jährige spielt seit ihrem achten Lebensjahr Klavier und wollte einmal testen, "wie sich eine Orgel so anfühlt". Zuerst erläuterte Corleis mit Herzblut, wie das Instrument funktioniert: Wie arbeiten die 1390 Pfeifen, wofür sorgen die 21 Register, was haben die Füße eines Organisten zu tun? Der Laie staunt und wundert sich - und auch die Neuntklässlerin spürt ein wenig Ehrfurcht vor der Wucht des Instruments, als sie sich auf die Bank setzt und ein modernes Stück der Imagine Dragons anstimmt. Corleis hört kurz zu und zieht dann ein paar Register: Die Klangfülle der Orgel verändert sich und passt sich dem Charakter der Musik an.
"Auch auf der Orgel kann man zeitgenössische Musik spielen", betont der Kirchenkreiskantor, gibt ein wenig "Substanz ins Pedal", mischt noch "was Witziges" durch die ausgewählten Register hinzu und spielt die Filmmusik von "Fluch der Karibik" an, dass die Empore beinahe ins Schwanken gerät. Dann setzt sich Fanny noch einmal an die Orgel und spielt das ruhig dahinplätschernde "River flows in you" von Yiruma. Corleis fügt durch verschiedene Register an manchen Passsagen Tonfülle dazu - und die Langenerin vergisst beinahe, dass das ihre Orgelpremiere ist. "Es hat mir sehr viel Spaß gemacht", sagt sie. Corleis hat alle Register gezogen, um sein Instrument spannend vorzustellen. Beim nächsten "Tag der offenen Orgelbank" könnten gerne noch ein paar Neugierige mehr kommen.